Quelle: Mitteilungen Dr. J. Griesmayer, Pf. Obritzberg: St.B. II (H?): EB 1938.“
So weit die ersten Informationen über Wilhelm Kollmann – entnommen dem Niederösterreichischen Ärztebuch. Weitere historische Spuren sind nicht sehr üppig für einen Menschen, der 28 Jahre Gemeindearzt in Obritzberg war. Die versuchte Auslöschung des Jüdischen durch die Nationalsozialisten zielte auch auf die historischen Spuren ab. Einiges ist trotzdem geblieben, wenn auch nicht durch offizielle Stellen der Gemeinde Obritzberg-Rust.
Bereits mit dem 18. März 1938 – sechs Tage nach dem Einmarsch der Nazis – wurde Kollmann als Gemeindearzt von Obritzberg seines
Amtes enthoben und kurze Zeit danach musste er gemeinsam mit seiner Frau Flora nach Wien XII. in die Seumegasse Nr. 2 übersiedeln. Zur selben
Zeit wurde er von der Vermögensverkehrsstelle aufgefordert, seine Vermögensverhältnisse offen zulegen. In diesem
„Verzeichnis über das Vermögen von Juden nach dem Stand vom 27. April 1938“, das er auszufüllen hatte, führt
Kollmann eine kleine Hausapotheke „stillgelegt infolge meiner Enthebung“ im Wert von 100 RM, weiters ein Reinvermögen
von 416 RM, sowie 2 Newag-Aktien mit 20 RM und „Inventar und Instrumente“ in der Höhe von 416 RM an. Seine Sparguthaben
bezifferte er mit 3450,37 RM. „Gegenstände aus edlem Metall, Schmuck- und Luxusgegenstände, Kunstgegenstände und
Sammlungen“ führte er mit 60 RM an. Somit besaßen die Kollmanns zu diesem Zeitpunkt ein Gesamtvermögen von ca. RM 4.400,-. Dies entspricht zum jetzigen Zeitpunkt (2010) einem Wert von etwa € 17.600,-.
Am 8. August 1938 kam Kollmann in den 1. Bezirk in die Strauchgasse 1, wo er in der Vermögensverkehrsstelle im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit seine Unterschrift unter diese Auflistung setzte.
Fast gleichzeitig teilte ihm die Arbeiterkrankenkasse mit, dass die Auszahlung der Rente in der Höhe von 48 RM wieder eingestellt wurde. So musste Kollmann von seinen Sparguthaben 500 RM beheben – zum eigenen Lebensunterhalt und zur Unterstützung seiner Kinder – wie er der Vermögensverkehrsstelle mitteilte. Am 17. November erhielten Kollmanns Kinder weitere 250 RM von seinen Sparguthaben. Schließlich erhielt er gemeinsam mit seiner Frau eine Altersrente von monatlich 4,50 RM (0,20 RM wurden als Krankenversicherungsbeitrag abgezogen).
Auf der Raiffeisenkasse in Obritzberg hatte Kollmann Spareinlagen in der Höhe von 1.446,41 RM. Die Ortsgruppenleitung der N.S.D.A.P. Obritzberg ließ die Sparguthaben sperren und die Dienstwohnung, die von den Kollmanns 28 Jahre genutzt worden war, auf Kosten dieses Kontos reparieren. Mit einem Schreiben vom 14. November 1938 wurde Kollmann davon in Kenntnis gesetzt. Mit 604,12 RM wurden die Reparaturen zum Abschluss gebracht und Kollmann erhielt die restlichen 935,88 RM im März 1939. Von diesem Betrag – so Kollmann „wurden 250 RM zu meinem Lebensbedarf u. zur Unterstützung meiner erwerblosen Kinder verbraucht“. Gegen Ende des Jahres waren die Sparguthaben beinahe zur Gänze aufgebraucht.
Bei den Recherchen zu diesem Kapitel war auffallend, dass diese historischen Spuren trotz des kurzen Zeitabstandes gar nicht so leicht aufzufinden waren. Der damals bereits pensionierte Pfarrer Kopfschlägl hatte sich intensiv mit der Geschichte der Pfarre Obritzberg auseinander gesetzt - das Heimatbuch der Gemeinde Obritzberg bezeugt dies - und war seit 1945 hier ansässig, doch auf die Frage, ob es vor der Zeit der Nationalsozialisten in der Gemeinde Juden gegeben habe, antwortete er nach einer kurzen Nachdenkphase, dass er dies nicht wisse. In der Gemeinde gibt es - wie in vielen anderen Gemeinden auch - ein Kriegerdenkmal, doch irgend ein Hinweis auf die Existenz eines Gemeindearztes, der immerhin 28 Jahre in dieser Gemeinde tätig war und mit seiner Frau auf derart grausame Weise ums Leben kam, ist erstmals in dieser Arbeit thematisiert worden.